Wer fühlt, hat mehr vom Leben - negative Gefühle im Coaching.
- Katrin Büsscher
- 9. Sept. 2024
- 3 Min. Lesezeit
Wer liest, hat mehr vom Buch.
Dieser - auf einen Stoffbeutel des DTV gedruckte Satz - ist mir vor ein paar Tagen über den Weg gelaufen und wurde kurzerhand zum Vorbild für folgende Überschrift:
Wer fühlt, hat mehr vom Leben - negative Gefühle im Coaching.
Wenn Menschen Unterstützung im Coaching suchen, gibt es gute Gründe dafür. Veränderungen möchten herbeigeführt, Hindernisse überwunden oder Entscheidungen getroffen werden.
Dabei nähern wir uns weitgehend auf kognitiven Wegen. Wir fragen, ordnen ein, gewichten, klären Unklarheiten und versuchen unserem Coachee die Möglichkeit zu eröffnen, eine eigene positive Vision zu entwickeln.
Wir können festhalten: der Coach denkt, der Coachee denkt, wir denken zusammen. Engagiert, differenziert, analytisch, klug.
Das hilft nicht immer weiter.
Wie kann das sein?
Wir Menschen vernachlässigen mit dieser Art der Betrachtung die GEFÜHLE, die wir haben und die unser Denken und Handeln erheblich beeinflussen.
Gefühle bewegen uns, ob wir wollen oder nicht. Jenseits von jeder Analyse und rationaler Betrachtung.
Angst, Wut, Trauer, Scham, Verzweiflung, Ohnmacht - das sind starke Gefühle, die gesellschaftlich negativ konnotiert sind.
Deshalb möchte ich mich mit diesem Text den "negativen" Gefühlen widmen und für diese in die Bresche springen.
Es gibt jede Menge Menschen, die Gefühle kaum benennen können, die keine Worte finden, um einen inneren Zustand zu beschreiben.
Wir Menschen verdrängen Gefühle, spielen sie herunter, verscheuchen sie durch Ablenkung jeglicher Art oder erliegen ihnen hoffnungslos.
Es sind Gefühle. Sie wollen gefühlt werden.
Wut - Wut ist eins meiner Lieblingsgefühle, wenn ich Wut bei Kindern beobachten darf.
Soviel Kraft, Ausdauer und Energie, WOW!
Wut ist ein häufig wahrgenommenes Gefühl, welches den meisten Menschen unangenehm zu fühlen und preiszugeben ist. Es verengt unser Denken und unser Gehirn verliert kurzeitig seine Fähigkeit zur Wahrnehmung der Komplexität. Dies ist in der akuten Situation leider nicht zu ändern. Das Bewusstwerden darüber ist aber von großer Relevanz für den Umgang mit unseren Gefühlen. Verständnis für sich selbst und für das Gegenüber zu entwickeln ist der Schlüssel zur Flexibilität des eigenen Handelns und damit zu neuen Möglichkeiten, festgefahrene Situationen aufzubrechen und zu verändern.
Ein Beispiel aus meinem beruflichen Hintergrund:
Eltern können ein wütendes Kind weder durch Ansprache, noch durch gut Zureden oder Appelle, durch Maßregeln oder gar eigene Wut davon abbringen, wütend zu sein. Eher im Gegenteil. Die Wut wird auf heißer Flamme weiterkochen.
Stattdessen können Eltern dem Kind einen sicheren Rahmen schaffen, indem das Kind weder sich selbst noch Anderen Schaden zufügen kann. GEMEINSAM ABZUWARTEN, bis die Wut des Kindes verraucht ist, ermöglicht dem Kind das eigene Gefühl auszuhalten und sich zu beruhigen. Erst wenn die Wut abgeklungen ist, können das Kind und die Eltern sich wieder liebevoll begegnen, um zu schauen, wie es zu dieser Wut kommen konnte und was das nächste Mal anders sein könnte.
Denn das ist der AUFTRAG von GEFÜHLEN. Jedem von uns zu signalisieren:
"Achtung, hier stimmt etwas nicht!" oder "Achtung, hier passiert etwas sehr besonderes!"
Das ist das wunderbare an Gefühlen, sie wollen uns nichts Böses.
Gefühle wollen uns aufmerksam machen, z.B. auf unsere Geschichte, unsere Selbstwahrnehmung, auf wunde (verwundete) Punkte, unsere Erfahrungen oder unsere aktuelle verfahrene Situation.
Schlicht: Sie sind die GUTEN GEFÄHRTEN in unserem Leben, die unserer Verletzlichkeit Ausdruck verleihen.
Es ist intensive Arbeit, "negativen" Gefühlen einen angemessenen Platz zu geben. Gefühle fordern uns heraus, sie engen uns ein, entwickeln eventuell einen dunklen Sog und können unsagbar schmerzhaft sein.
Erst durch die Identifizierung, die Wahrnehmung und die Erforschung unserer Gefühle ist ein konstruktiver Zugang möglich. Wir begreifen, wie unsere Gefühle unser Denken und Handeln beeinflussen. Wir verstehen uns. Wir können Verständnis für uns selbst aufbringen. Wir können uns in uns und in Andere HINEINFÜHLEN. So werden neue Strategien und Möglichkeiten des Denkens und Handelns eröffnet. So erklärt sich vielleicht auch plötzlich das Verhalten eines anderen Menschen, das wir bisher nicht verstanden haben.
Dieser Zugang führt dazu, eine klare innere Haltung entwickeln zu können, egal wer da draußen gerade FÜHLT ohne es zu ahnen. ; )
Bist du neugierig geworden, Gefühle zu fühlen?
Du findest bei ebbe & flut Menschen, die Gefühlen gewachsen sind. Die beiden Qualitäten in dir, das Denken UND Fühlen, dürfen sich auf Augenhöhe begegnen. Dadurch wächst dein individueller Handlungsspielraum und der perfekte Dreiklang aus Denken-Fühlen-Handeln kann seine Wirkung voll entfalten.
Probiere es aus.
Warum es in unserer Gesellschaft einen scheinbar so schweren Zugang zu Gefühlen gibt und wie es gut gelingen kann, Gefühlen Raum zu geben, sich ihnen mutig zu nähern und ihnen bei Zeiten auf den Grund zu gehen, beschreibe ich mit Vergnügen in einem folgenden Blogbeitrag.
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